Es ist nachmittags. Ich sitze auf dem Balkon. Aus der Nachbarschaft erklingen Kinderstimmen. Und manchmal erwische ich mich beim Hinhorchen. Klang das nicht wie eine meiner Töchter? Wie ein entfernter Ruf aus der Vergangenheit kommt mir das vor. Viel zu viel habe ich vergessen. Viel zu schnell verging die Zeit. Alles ist gut gegangen. Wir sind in liebevollem Kontakt. Sorgen bleiben, Themen ändern sich.

Auf einmal ist da all die Zeit. Und das Gefühl, sie immer noch strukturiert und produktiv füllen zu müssen. Ein schlechtes Gewissen, wenn an einem Tag mal nichts in Haus und Garten getan wird, das Essen aus Resten besteht (Portionen kleiner kochen will auch erstmal gelernt sein), wenn das Homeoffice geschlossen bleibt. Die Tage, von denen ich früher träumte, und die sich nun fast falsch anfühlen. Ein bisschen Mama ante Portas 😉

Ein Umdenken muss her für mich. Ich stehe noch immer gern früh auf, trinke einen stillen Kaffee. Früher war dies ein rüsten für den hektischen Alltag, nun ist es ein Geschenk an mich. Selfcare, um sich selbst kümmern. Dann die erste Hunderunde, gern etwas größer, so weit der in die Jahre gekommene beste Freund es schafft an diesem Tag. Die Gedanken müssen nicht hunderte to do- Listen durchgehen und neue Sachen hinzufügen. Kein Ärger, der eigentlich der Ärger der Kinder ist, ist in meinem Kopf. Die Gedanken dürfen still sein und es bleibt Platz, um meine Umgebung wirklich anzuschauen. Waren hier früher auch so viele Vögel, oder fallen sie mir erst jetzt auf? Wäre es nicht toll, wenn ich Vögel malen könnte?

Zuhause erstmal im Internet schauen. Tatsächlich, ich finde eine deutsche Künstlerin, abonniere ihren Newsletter und bekomme Tipps und Anleitungen. https://juliabausenhardt.com/sketchbook-tour-summer-2021/

Den Rest des Tages entrümpele ich meine Malsachen, starre ewig auf das weiße Blatt und habe Angst vorm Scheitern. Wie war das noch mit dem Umdenken? All die Bilder, die ich für den Kunstunterricht der einen Tochter gemalt habe, waren kein Problem. Warum also jetzt? Einige Farbkleckser aufs Blatt und schon ist es nicht mehr da, das einschüchternde Gefühl.

Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis ein Tag sich nicht mehr unproduktiv anfühlt. Über die Jahre habe ich gelernt, all die täglichen Aufgaben zu strukturieren um Zeitfenster zu schaffen für wieder andere Aufgaben. Nun sind da all diese leeren Fenster und ich kann sie neu dekorieren.

Ich bin gern mit mir allein, das war schon als Kind so. Stundenlang im Kastanienbaum sitzen. Nie still, immer lebhaft, glücklich und ohne schlechtes Gewissen. So möchte ich wieder sein. Auch wenn die Medien mir ein anderes Leben als glücklich und ideal vorschlagen. Ich möchte zurück zu dem Gefühl im Kastanienbaum.

Vielleicht sollte ich morgen mal einen Kastanienbaum malen.

Hab es nett,

Frauke

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